Strache und der geklaute Türken-Brief aus dem Web

Weil trotz Hinweis ein Hassposting auf der Facebook-Seite von Strache nicht entfernt wurde, wird der FPÖ-Parlamentsklub geklagt
Der FPÖ-Chef hat einen offenen Brief an Erdogan-Anhänger veröffentlicht. Bloß: Offenbar stammt er gar nicht von Strache.

Noch nie war es so einfach, offene Briefe über das Internet zu verbreiten. So tat es auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Montag – und zwar auf Facebook, der idealen Plattform, um sich Gehör zu verschaffen und wo Strache rund 600.000 FB-Nutzer direkt ansprechen kann. Sein Schreiben, im Boulevard als "Wutbrief" tituliert, richtete sich an die Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Österreich und Deutschland. Strache äußert sich kritisch und teilweise zynisch und rät den Adressaten schließlich, zurück in die Türkei zu gehen, wo Erdogan alle Unterstützung brauchen kann.

Das alles klingt nach einem normalen Kommentar von Heinz-Christian Strache. Aber: Das Facebook-Posting stammt nicht aus der Feder des FPÖ-Chefs, zumindest große Teile davon. Veröffentlicht wurde der Text von einer gewissen Paula Bengtzon auf dem rechtsextremen Blog Journalistenwatch – und das bereits Anfang März 2017. Strache selbst hat nur einige Passagen hinzugefügt und Stellen anders formuliert. Aber im Großen und Ganzen ist das Posting kopiert - ohne Quellenangabe.

Der KURIER hat die kopierten Stellen markiert (links: Paula Bengtzon; rechts: Strache; hier in Originalgröße)

Strache und der geklaute Türken-Brief aus dem Web
AufJournalistenwatchwird die Berichterstattung von etablierten Medien kommentiert und eine Art "Gegenöffentlichkeit" dargestellt. Die Kritik am Islam nimmt dabei einen nicht unwesentlichen Teil ein. Der Chefredakteur vonJournalistenwatch, Thomas Böhm, ist auch Bundesgeschäftsführer des rechtspopulistischen "Bürgerbewegung" Pax Europa. Der Verein beschreibt sich selbst als "Menschenrechtsorganisation" und veröffentlicht Artikel, die gegen den Islam gerichtet sind. Unter der gleichen Adresse wie Journalistenwatchim thüringischen Jena ist zudem der Landesverband der rechten Kleinpartei Die Freiheit ansässig. Die Vereinigung gilt als "verfassungsfeindlich" und "extremistisch"; sie wird vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet.

Wer verbirgt sich hinter Paula Bengtzon? So genau wissen wir das nicht. Es dürfte sich aber um die Bochumer Autorin Gabriele Brinkmann (geboren 1954) handeln, die unter mehreren Künstler-Pseudonymen - unter anderem auch unter Paula Bengtzon - Essays und Bücher verfasst. Im Herbst 2009 nahm der Düsseldorfer Droste-Verlag Brinkmanns Krimi "Wem Ehre gebührt" aus dem Programm – Grund waren angeblich islamfeindliche Äußerungen.

Strache und der geklaute Türken-Brief aus dem Web
Strache und der geklaute Türken-Brief aus dem Web
Strache und der geklaute Türken-Brief aus dem Web

Hinweis: Bisher war niemand von der FPÖ erreichbar.

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