Money Maker in der Staatsoper

Misha Didyk als spielsüchtiger Alexej
Die erste Neuproduktion einer Prokofjew-Oper wurde zum musikalischen Erfolg.

Der vierte (und letzte) Akt ist der beste.

Da führt Sergej Prokofjew mit einem mitreißenden Zwischenspiel, das musikalisch Elemente des "Wozzeck" von Alban Berg vorwegnimmt, seine Hörer zur Rouletteszene, der berühmtesten aus der Oper "Der Spieler". In dieser setzt der gewinn- und liebessüchtige Alexej (dass sich beide Triebe selten gleichermaßen befriedigen lassen, ist gemeinhin bekannt) immer wieder auf Rot und gewinnt sehr viel Geld – als Kommentar zum Wahlkampf ist das vermutlich nicht gemeint.

Der Croupier trägt ein lächerliches grünes Sakko, wie der Money Maker aus dem Fernsehen. Und auch der Protagonist Alexej verharrt wie die Kandidaten in ihren Schlusspositionen, damit ihm möglichst viele Scheine in den Schoß fallen.

Karikaturen

Allein diese Szene legt das Hauptproblem dieser Produktion, der ersten Staatsopern-Premiere der neuen Saison, offen: Die Inszenierung von Karoline Gruber verliert sich in Klischees, zeigt Karikaturen statt Persönlichkeiten und bleibt eine oberflächliche, clowneske Satire, wo es um einen Kommentar zu einer kaputten, falschen Idealen hinterher hechelnden Gesellschaft am Rande des Abgrundes gehen könnte.

Dennoch ist es eine Freude und völlig richtig, dass die Wiener Staatsoper dieses durchaus riskante Werk mit der geringen Bekanntheit zur Diskussion stellt. Und Opernliebhaber sollten sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, wenn es auch keine Arien im klassischen Sinn, keine packende Dramaturgie und nominell keine Stars auf der Bühne gibt. Aber sie werden mit einem flirrenden, vorwärtstreibenden, die Drehbewegungen am Roulettetisch instrumental faszinierend umsetzenden Musikdrama belohnt, das Prokofjew nicht nur als innovativen Instrumentationskünstler und markanten Rhythmiker, sondern als auch ausdrucksvollen Melodiker und durchaus lyrischen Klangmaler mit starken spätromantischen Einflüssen ausweist.

Prokofjew hat den "Spieler" nach Fjodor M. Dostojewski vor 1917, also in seinen Zwanzigern, geschrieben, die russische Revolution verhinderte jedoch vorerst die Uraufführung, zu der es erst 1929 (auf französisch) in Brüssel kam.

Man mag es ja kaum glauben, aber es handelt sich jetzt tatsächlich um die allererste Prokofjew-Eigenproduktion in der Staatsoper, davor gab es nur Gastspiele bzw. Aufführungsserien der "Liebe zu den drei Orangen" in der Volksoper (als das Haus am Ring noch kriegszerstört war).

Klangerlebnisse

Dass "Der Spieler" nun musikalisch zum Erfolg wurde, ist dem präzisen, farbenprächtigen, das russische Sentiment auskostenden Staatsopernorchester unter der Leitung von Simone Young zu danken, die sängerfreundlich agiert und auf kluge Strukturierung statt auf Effekte setzt. Wahre Klangerlebnisse.

Die Inszenierung von Karoline Gruber – siehe oben – erzählt die autobiografisch geprägte Dostojewski-Geschichte über spielsüchtige Menschen, die allesamt bessere Zeiten gesehen haben, nunmehr Schuldner sind und nach wie vor an die Käuflichkeit des Glückes glauben, als Rampentheater mit schrillen Kostümen. Das Bühnenbild (Roy Spahn) zeigt einen zerbrochenen Spiegel und unterschiedliche Karusselle – wir verstehen schon, dass es um den unaufhaltsamen Lauf der Dinge, um die Schnittmenge aus Spiel und Realität, um das Auf und Ab im Leben geht – dennoch bleibt es erstaunlich substanzarm, ja sogar fad.

Aus der großteils russischen Sängerbesetzung ragt Dmitry Ulyanov als durchschlagskräftiger General heraus, Misha Didyk kämpft sich tapfer durch die enorm anspruchsvolle Partie des Alexej. Elena Guseva ist eine Polina mit schönem Sopran und starkem Ausdruck, Linda Watson eine Karikatur einer Babulenka, Thomas Ebenstein ein absurder Marquis, gezeichnet wie ein russischer Mafioso und Elena Maximova eine präsente Blanche.

Kein Jackpot im Opern-Casino, aber immerhin ein Gewinn im dritten Rang.

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