Immer mehr Väter verweigern Handschlag mit Lehrerinnen

Immer mehr Väter verweigern Handschlag mit Lehrerinnen
Lehrerinnen klagen über fehlenden Respekt. Sozialarbeiterin setzt auf Aufklärung.

Ein Schüler, der über seine Lehrerin sagt: "Mit der Hure rede ich nicht." Eltern, die der Aufforderung, in die Schule zu kommen, nicht nachkommen. Väter, die der Lehrerin den Handschlag verweigern und sie ignorieren, weil sie eine Frau ist. "Das ist inakzeptabel", sagt Lehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger. Und: "Es handelt sich um Einzelfälle." Doch diese Einzelfälle nehmen zu. Speziell in Brennpunkt-Schulen mit hohem Migranten-Anteil.

Ignoranz

Es sind fundamentalistische Muslime, mit denen die Lehrerinnen kämpfen. "Der Großteil der Kinder und Eltern mit Migrationshintergrund versucht fast alles, um Fuß zu fassen. Aber die radikalen Gruppen bereiten uns Probleme. Da passieren Dinge, die nicht akzeptabel sind. Von der Ignoranz bis zur Respektlosigkeit und Übergriffen", sagt Kimberger.

Eine Grazer Lehrerin wehrte sich im vergangenen Jahr – ein Vater hatte ihr die Hand nicht reichen wollen. Sie kündigte eine Klage wegen Diskriminierung an. "Es geht um grundlegende Frauenrechte!" Doch daraus wurde nichts. Bis dato ist der Fall bei der Gleichbehandlungskommission nicht eingelangt. Strafrechtlich ist er nicht relevant.

Auch in der Schweiz sorgte ein ähnlicher Fall für Aufregung. Zwei Schüler hatten ihrer Lehrerin aus religiösen Gründen nicht die Hand gereicht – von der Schule hatten sie dafür sogar eine Sondergenehmigung bekommen.

In der Praxis wird bei derartigen Vorfällen ein männlicher Lehrerkollege dazu geholt. "Meistens wirkt das", sagt Lehrer-Gewerkschafter Kimberger. Wenn nicht, dann wird der Landesschulrat eingeschaltet – und wenn nötig, die Polizei. "Da darf man sich nicht spielen."

Auch der Wiener Gewerkschafter-Kollege Stephan Maresch beobachtet vermehrte Vorfälle. "Speziell junge Kolleginnen tun sich da schwer. Aber ein Generalkonzept in solchen Fällen gibt es nicht. Das regelt jede Schule anders." Oft reiche schon ein Gespräch. Es fehle an einer entsprechenden Ausbildung für die Lehrer. "Wenn etwa ein muslimischer Mann direkt vor der Frau steht – für uns viel zu nah – ist das von ihm gar nicht böse gemeint. Das ist keine Drohung. Man muss ihn nur darauf aufmerksam machen. Der Kulturkreis ist eben völlig anders."

Kimberger hätte eine andere Idee: "Während des Jugoslawienkriegs haben wir Lehrer, die geflüchtet waren, per Sondervertrag angestellt. Sie konnten vermitteln." Einen ähnlichen Vorschlag habe er Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek schon vor eineinhalb Jahren gemacht. "Ohne Reaktion." Das Ministerium gab keine Stellungnahme ab.

Bettina Koller leitet die Flüchtlingswohngemeinschaft Mihan des Arbeitersamariterbundes in Wien. Das Zusammenleben mit den 30 unbegleiteten Flüchtlingen (15 Burschen und 15 Mädchen) funktioniere im "Großen und Ganzen" gut, den Handschlag habe ihr noch niemand verweigert, aber: "Die unterschiedlichen kulturellen Bedingungen führen oft zu Missverständnissen", sagt Koller.

Zu Beginn etwa hätten junge, männliche Flüchtlinge "abfällige Handbewegungen" in ihre Richtung gedeutet: "So nach dem Motto: Schau, dass du weiter kommst. Du kannst mir nichts vorschreiben."

Andere Sitten

Vier Burschen im Alter von 16 und 17 Jahren wollten freiwillig an einem Tanzkurs teilnehmen. Einsteigerprogramm: Walzer tanzen. Vor dem ersten Kurs ging Bettina Koller mit ihren Schützlingen auf ein Getränk. "Für die Burschen gab es Almdudler, ich habe mir ein Glas Wein bestellt. Zugegeben, das war provokant", sagt die Sozialarbeiterin. Diskussionen ließen auch nicht lange auf sich warten: Warum sie als Frau Alkohol trinke, das sei verboten, fragten die Jugendlichen. Diskussionen gab es auch, als die Burschen im Tanzkurs zum ersten Mal auf die Mädchen trafen: "Sie trugen kurze Röcke und T-Shirts mit kurzen Ärmeln. Die Burschen fragten mich, ob das Huren sind", erzählt Koller. Abgesehen von den kulturellen Unterschieden sei die "Verwahrlosung" der jungen Flüchtlinge oft ein "großes Problem", sagt Koller: "Sie sind im Krieg aufgewachsen. Auf Raubzüge zu gehen, diente ihrer Lebenserhaltung", sagt Koller. Werte wie Akzeptanz, Respekt und Höflichkeit seien unter diesen Umständen einfach nicht vermittelt worden.

Deshalb sei es besonders wichtig , den Jugendlichen zu erklären, warum sie etwas zu tun haben und sie "sinnerfassend lernen" zu lassen. "Ich habe ihnen erklärt, dass es für eine Frau in Österreich völlig in Ordnung sei, ein Glas Wein zu trinken und dass luftig bekleidete Mädchen keine Huren sind", sagt Koller. Man müsse ihnen etwas Zeit geben, mittlerweile funktioniere nicht nur das Walzertanzen ganz gut. "Respekt und Toleranz fordern wir einfach ein."

Aus dem Bildungsministerium heißt es dazu: "Dank der professionellen Arbeit vieler Lehrer ist die Integration von rund 10.000 Flüchtlingskindern in unsere Schulklassen bisher sehr gut gelungen. Aber in den vergangenen Monaten ist uns wieder einmal bewusst geworden, dass es wichtig ist zu zeigen, dass wir klare Umgangsregeln haben, die es einzuhalten gilt", erklärt eine Sprecherin. Deswegen seien mehrere Broschüren als unterstützendes Hilfsmittel für die Lehrer zur Verfügung gestellt worden.

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